Stilvolle Handarbeit und historisches Schmuckstück – Die Böhmetal-Kleinbahn fährt nach 100 Jahren wieder

Stilvolle Handarbeit und historisches Schmuckstück – Die Böhmetal-Kleinbahn fährt nach 100 Jahren wieder

Böhmetal-Kleinbahn Innenansicht

Ein unscharfes Foto aus dem Jahr 1896, aufgenommen aus 100 Metern Entfernung, und eine Zeichnung – mehr Pläne hatte der Tischler Ulf Trübel aus Benefeld nicht, als er den Auftrag erhielt, einen Anhänger für die Böhmetal-Schmalspurbahn zu bauen. In Walsrode ist das handgefertigte Kunstwerk in Form eines Waggons zu bestaunen, der mitten durch die Innenstadt von Walsrode fährt. Allerdings nicht auf Schienen, sondern auf einem Anhänger. Dieser Anhänger ist ein Niederflurwagen und damit ein Nachbau der Wallücke, die für das Bergwerk Georgsmarienhütte gebaut wurde. Die Wallückebahn verkehrte zwischen 1897 und 1937 in Westfalen. Heute gibt es sie nicht mehr. Einzig ihr Nachbau lässt den alten Charme wieder aufleben, aber die Neuauflage hat den Vorteil, dass sie gleich barrierefrei gebaut wurde.

Ein besonderes Bauprojekt

Ulf Trübel hat einen Waggon der Böhmetal-Schmalspurbahn nach alten Zeichnungen komplett neu gebaut. Eigentlich bauen er und seine Geschäftspartnerin Bettina Laabs für Mobiltraumhaus Tiny Houses und schaffen damit nachhaltige Lebensräume für Menschen, die dem Alltagsstress entfliehen und nicht ortsgebunden leben wollen. Bei der Bahn handelt es sich um ein besonderes Projekt, das Ulf Trübel anhand einer Zeichnung und mit jeder Menge Handarbeit und Know-how gebaut hat. „Mal was anderes, macht Spaß, macht man auch nicht aller Tage.“ erklärt Ulf Trübel mit viel Enthusiasmus in seiner Stimme. Der Bau des Wagens hatte auch seine Tücken. Ganze sieben Monate musste er auf das Gestell der Schlosserei warten, was bedeutete, dass die Fertigstellung in letzter Minute erfolgte. Doch der Zeitdruck hat sich gelohnt und der dunkelgrüne Wagen ist ein Blickfang für die Bewohner und Besucher von Walsrode, der an die Geschichte des Örtchens erinnert.

Böhmetal-Kleinbahn Transport

 

Die Geschichte der Böhmetal-Kleinbahn

Die Böhmetal-Kleinbahn war eine Kleinbahn, die von 1912 bis 1991 zwischen Gieselwerder und Bad Wildungen im hessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg verkehrte. Die Böhmetal-Kleinbahn war Teil des Freizeit- und Erholungsnetzes der Eisenbahnstrecke „Böhmetalbahn“, die sich auf einer Länge von 19,5 km von Gieselwerder nach Bad Wildungen erstreckte. Die Böhmetal-Kleinbahn verfügte über sechs Bahnhöfe und wurde von einem Dampfzug betrieben. Die Strecke war eine eingleisige Schmalspurbahn, die insbesondere im Sommer und Herbst für Touristen und Erholungsreisende eine attraktive Möglichkeit darstellte, die Schönheiten der hessischen Landschaft zu erleben. Im Jahr 1991 wurde die Strecke stillgelegt und das Gleisbett wurde für die Errichtung eines Wanderwegs verwendet. Heute ist die Böhmetal-Kleinbahn ein beliebtes Ausflugsziel für Wanderer, Radfahrer und Naturliebhaber.

Ein altes Schmuckstück im neuen Glanz

Während die Ur- Böhmetal-Kleinbahn noch in die erste, zweite und dritte Klasse unterteilt war, fahren in der Neuauflage alle Fahrgäste in der Holzklasse. In der Mitte nahm das Fußvolk in der dritten Klasse Platz, erhöht saßen die Gäste der ersten und zweiten Klasse. Damals gab es sogar einen Unterschied in der Polsterung. Wer heute in den Wagen der Kleinbahn einsteigt, findet weder Schiebetüren noch Polsterungen. Für den Boden wählte Tischler Ulf Trübel eine Siebdruckplatte, die Decke wurde mit einer Fräse bearbeitet – der Rest ist liebevolle Handarbeit. Und das erkennt selbst ein Laie. Für die Türen wurde Esche verwendet, eine Laubbaumart aus der Gattung der Fichte, die als Holztyp besonders hart und langlebig ist und deswegen die perfekte Wahl darstellt. Die Eisenbahn selbst läuft unten zusammen. Bei dem Bau haben Ulf Trübel und seine Helfer den alten Charme mit neuen Materialen wiederaufleben lassen. Der letzte Schliff wurde dem Wagen zusammen mit den Wandergesellen (ausgelernte Handwerksgesellen, die sich traditionsgemäß auf die „Walz“ begeben, um so in unterschiedlichen Betrieben Erfahrungen zu sammeln) verpasst. Das Ergebnis ist ein kompletter Neubau, der Besucher in das frühe 20. Jahrhundert zurückreisen lässt.

Böhmetal-Kleinbahn Grundgerüst

Inbetriebnahme der neuen Kleinbahn

 

Der Wagen bietet Platz für 30 Personen und wird mit Öl beheizt. Mit einem Kran, der am Bahnhof in Vorwalsrode bereitstand, wurde der Waggon hinter die Lok namens Wilde Erika gesetzt. Die Wilde Erika bietet künftig bis zu 70 Personen in geschlossenen und weitere rund 100 Personen in offenen Wagen Platz, um diese durch das Jordantal zu kutschieren. Voraussichtlich ab Mitte März ist dann auch der neue Waggon dabei, wenn der Feinschliff beendet ist und der Waggon vom TÜV abgenommen wurde.

Böhmetal-Kleinbahn Gruppenfoto